
DStV, Pressemitteilung vom 08.02.2012 zu den BFH-Urteilen VI R 19/11 und VI R 46/10 vom 16.11.2011
Arbeitnehmer können auch dann den längeren Weg zur Arbeit steuerlich geltend machen, wenn sie dadurch keinen erheblichen Zeitvorteil gegenüber der kürzesten Strecke haben.
Grundsätzlich kann für die Entfernungspauschale für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte immer nur der kürzeste Weg berücksichtigt werden. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn eine andere Verbindung "offensichtlich verkehrsgünstiger" ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig genutzt wird.
Der Ansicht der Finanzämter, die längere Strecke müsse mindestens eine Zeitersparnis von 20 Minuten einbringen, hat jetzt der Bundesfinanzhof mit zwei Urteilen (Az. VI R 19/11 und Az. VI R 46/10) kassiert.
Nach Ansicht der Richter müssten gerade keine konkreten zeitlichen Vorgaben erfüllt sein, um eine Straßenverbindung als "offensichtlich verkehrsgünstiger" als die kürzeste Fahrtroute anzusehen. Vielmehr komme es auf die Umstände des Einzelfalls an. Als Kriterien seien beispielsweise die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln oder ähnliches heranzuziehen.
Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) rät Arbeitnehmern zu prüfen, ob die Aufwendungen für die tatsächliche Strecke jetzt als Werbungskosten angesetzt werden können.
Lesen Sie hierzu auch die Pressemitteilung des BFH:
BFH zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte: "Offensichtlich verkehrsgünstigere" StraßenverbindungBFH, Pressemitteilung Nr. 12/12 vom 08.02.2012 zu den Urteilen VI R 19/11 und VI R 46/10 vom 16.11.2011Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteile vom 16. November 2011 VI R 19/11 und VI R 46/10 konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen die Entfernungspauschale für einen längeren als den kürzesten Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Anspruch genommen werden kann. Grundsätzlich kann die Entfernungspauschale nur für die kürzeste Entfernung beansprucht werden. Etwas anderes gilt aber, wenn eine andere Verbindung "offensichtlich verkehrsgünstiger" ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes).
In der Sache VI R 19/11 hatte das Finanzgericht (FG) die Klage abgewiesen, weil stets eine zu erwartende Fahrtzeitverkürzung von mindestens 20 Minuten erforderlich sei. In der Sache VI R 46/10 hatte das FG der Klage teilweise stattgegeben und bei der Berechnung der Entfernungspauschale eine vom Kläger tatsächlich nicht benutzte Verbindung berücksichtigt, die dem FG offensichtlich verkehrsgünstiger erschien.
Der BFH hat nun entschieden, dass eine Mindestzeitersparnis von 20 Minuten nicht stets erforderlich ist. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls, wie z. B. die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln o. ä. in die Beurteilung einzubeziehen. Eine Straßenverbindung kann auch dann "offensichtlich verkehrsgünstiger" sein, wenn bei ihrer Benutzung nur eine geringe Zeitersparnis zu erwarten ist (VI R 19/11). In der Entscheidung VI R 46/10 hat der BFH zudem klargestellt, dass nur die tatsächlich benutzte Straßenverbindung in Betracht kommt. Eine bloß mögliche, aber vom Steuerpflichtigen nicht benutzte Straßenverbindung kann der Berechnung der Entfernungspauschale nicht zugrunde gelegt werden.