
EU-Kommission, Pressemitteilung vom 12.03.2015
Die Europäische Kommission hat eine eingehende Untersuchung eingeleitet, um zu prüfen, ob die im Juni 2014 eingeführte Werbesteuer Ungarns mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht. Im Fokus stehen dabei die von 0 % bis 50 % reichenden progressiven Steuersätze, die bestimmte Unternehmen begünstigen und ihnen einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten. Die Kommission hat deshalb zusätzlich eine Aussetzungsanordnung erlassen, mit der es Ungarn untersagt wird, progressive Steuersätze anzuwenden, bis die beihilferechtliche Prüfung abgeschlossen ist. Mit der Einleitung eines eingehenden Prüfverfahrens wird Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Einleitung eines Prüfverfahrens greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir in ganz Europa für gleiche Ausgangsbedingungen auf den Medienmärkten sorgen. Viele Medienunternehmen sind heute auf Werbeeinnahmen angewiesen, um ihre Arbeit finanzieren zu können. Die ungarische Regierung hat zu erkennen gegeben, dass sie Änderungen an der Werbesteuer plant. Das begrüße ich sehr. Die eingehende Untersuchung wird sowohl die derzeitige Anwendung der Werbesteuer als auch die Steuer in ihrer möglicherweise geänderten Form genau untersuchen. Wichtig ist, dass jeglicher Form der unfairen Behandlung von Medienunternehmen entgegengewirkt wird."
Nach dem ungarischen Werbesteuergesetz richtet sich der Steuersatz nach den Werbeumsätzen. Für Medienunternehmen mit höheren Werbeeinnahmen gilt somit ein wesentlich höherer Steuersatz. Zum derzeitigen Stand der Untersuchung vertritt die Kommission den Standpunkt, dass diese Steuerprogression (von 0 % bis 50 %) bestimmte Unternehmen begünstigt, was einen Verstoß gegen die EU-Beihilfevorschriften darstellen würde. Aufgrund der progressiven Steuersätze bezahlen Unternehmen mit niedrigen Werbeumsätzen auch im Verhältnis zu ihren Werbeeinnahmen erheblich weniger Werbesteuer als Unternehmen mit hohen Werbeumsätzen. Eine umsatzbasierte progressive Steuer benachteiligt größere Marktteilnehmer im Gegensatz zu einer gewinnabhängigen Steuerprogression, die durch die höhere Belastbarkeit sehr rentabler Unternehmen gerechtfertigt werden kann. Bislang haben die ungarischen Behörden keinen objektiven Grund vorgebracht, der den gewählten Ansatz rechtfertigen könnte.
Ferner hat die Kommission Zweifel, dass die im Werbegesetz enthaltenen Bestimmungen, die einen Abzug früherer Verluste von den zu versteuernden Werbeeinnahmen erlauben, mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang stehen. Diese Vorschriften scheinen dem übergeordneten Ziel der Steuer zuwiderzulaufen. Zudem gelten diese Bestimmungen nur für Unternehmen, die 2013 keine Gewinne erwirtschaftet haben, wodurch diese gezielt begünstigt würden.
Mit der beihilferechtlichen Prüfung stellt die Kommission nicht das Recht Ungarns in Frage, eine Steuer auf Werbeeinnahmen zu erheben und ein angemessenes Steuerniveau festzulegen. Sie muss jedoch sicherstellen, dass durch eine solche Steuer nicht bestimmte Unternehmen gegenüber ihren Wettbewerbern begünstigt werden. Ungarn und andere Beteiligte können der Kommission jetzt ihre Stellungnahmen übermitteln.
Nach Abschluss der Prüfung wird die Kommission entscheiden, ob die Werbesteuer eine staatliche Beihilfe zugunsten bestimmter Unternehmen darstellt und ob im Falle des Vorliegens einer Beihilfe diese mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht.
Hintergrund
Ungarn erließ das Werbesteuergesetz am 11. Juni 2014. Es folgten Änderungen am 4. Juli und 18. November 2014. Mit diesem Gesetz wurde eine neue Sondersteuer auf Werbung, die in Ungarn in Medien geschaltet wird, eingeführt. Das Gesetz gilt für alle Medienunternehmen.
Steuerbemessungsgrundlage ist der Werbeumsatz eines Unternehmens, d. h. die volle Vergütung für die erbrachten Dienstleistungen ohne Abzug von Kosten. Die Steuer richtet sich folglich nicht nach dem mit den betreffenden Aktivitäten erwirtschafteten Gewinn. Die Steuerbemessungsgrundlage von verbundenen Unternehmen wird aggregiert. Der Steuersatz ist progressiv gestaltet: Unternehmen mit geringen bzw. mittleren Werbeumsätzen sind entweder ganz von der Steuer befreit oder zahlen einen Steuersatz von 1 %. Demgegenüber zahlen Unternehmen mit hohen Werbeeinnahmen 10 % bis 50 %. Für das Steuerjahr 2014 gilt zudem eine Übergangsregelung, nach der Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erwirtschaftet haben, 50 % der von ihnen nach dem Körperschaftsteuer- und Einkommensteuergesetz vorgetragenen Verluste früherer Wirtschaftsjahre von der Steuermessungsgrundlage für 2014 abziehen können.
Parallel dazu prüft die Kommission die Steuer ebenfalls auf deren Vereinbarkeit mit anderen Aspekten des EU-Rechts. Hierbei geht es vor allem um die Vereinbarkeit mit der in Artikel 49 AEUV verankerten Niederlassungsfreiheit. So ist zu prüfen, ob die Regelung vor allem ungarische Unternehmen betrifft, die mit anderen Unternehmen, deren satzungsmäßiger Sitz sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet, verbunden sind. Die Kommission holt derzeit diesbezüglich alle relevanten Informationen bei den ungarischen Behörden ein.
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